Arbeit und Würde - SZ-Themen der Woche vom
3.Juni 2006
In dem Kommentar bedauert Sibylle Haas zurecht, daß viele sinnvolle
und wichtige Tätigkeiten nicht die erforderliche soziale Wertschätzung
genießen. Aber in einer Markwirtschaft ist nun einmal der Preis das
entscheidende Kriterium für die Wertschätzung einer Ware oder Dienstleistung.
Glaubt Sie, daß Einkaufstütenpacker wirklich auf Dauer besser bezahlte
Industriejobs ersetzen können? Das ist doch eher was für Schüler,
die ihr Taschengeld aufbessern wollen. Sie räumt ja auch ein, daß
deutsche Arbeiter von den bei der ausländischen Konkurrenz üblichen
Gehältern nicht leben können. Deshalb sind ihre Argumente gegen
Mindestlöhne bei den derzeitigen Rahmenbedingungen zwar plausibel, sie
hat aber ebenso wie unsere Politiker nicht den Mut, eben diese Rahmenbedingungen
in Frage zu stellen. Es ist ja nicht nur die Höhe der Löhne. Deutschen
Unternehmen entstehen hohe Kosten aufgrund von Verwaltungsvorschriften, Arbeitsschutz-
und Mitbestimmungsgesetzen, Normen, Umweltauflagen usw., die sich die ausländische
Konkurrenz sparen kann. Diese darf ihre Produkte aber ungehindert bei uns
verkaufen. Diesen Nachteil kann man durch keinen noch so lausigen Lohn kompensieren,
genausowenig wie die Währungsspekulation, die unsere Produkte für
das Ausland in kurzer Zeit um 50% verteuert hat.
Wenn wir also von unseren Unternehmen - zurecht - gewisse Standards erwarten,
dürfen wir nicht diejenigen bevorzugen, die diese Standards nicht erfüllen.
Hier ist ein gewaltiges Umdenken erforderlich.