Unser Land
- kontrovers |
Zurück zur Titelseite |
Die Tüchtigen Deutschlands,
die viele Millionen Bildungsferne und ihren stetig zunehmenden Nachwuchs versorgen,
dürfen Stolz empfinden. Denn dieses Land hat nur selten Fremde beschützt
oder gar befreit. Eine Billion Euro Sonderschulden aber hatte Deutschland
bereits 2007 für Migranten, die mehr aus den Hilfesystemen entnehmen,
als sie aufgrund schlechter Schulleistungen und anderer Handicaps in sie
einzahlen können. Auf jeden der 25 Millionen vollerwerbstätigen
Nettosteuerzahler fallen allein für diese historisch einmalige Aufgabe
40 000 Euro Schulden. Gleichwohl leben die Versorger in einer Nation, die
seit bald vierzig Jahren bei den Geburten rund ein Drittel unter der Bestandserhaltung
liegt (1,4 statt 2,1 Kinder pro Frau) und deshalb mit einem Durchschnittsalter
von 44 Jahren nur noch von Monaco und Japan übertroffen wird. Das stellt
die jungen Menschen mit Ausbildungsreife vor gewaltige Aufgaben. Sie müssen
nicht nur die Alten und Minderjährigen versorgen, sondern jeweils zu
dritt auch noch für einen Gleichaltrigen ohne Ausbildungsreife nebst
Nachwuchs bezahlen. Denn nach Messungen der Bundesregierung war schon 2009
ein Viertel der Fünfzehnjährigen nicht ausbildungsreif. Womöglich auch deshalb äußerten 2007 rund 87 Prozent der hiesigen Hochschulabsolventen den Wunsch, in anderen Ländern Karriere zu machen. Von hundert Nachwuchskräften, die das Land benötigt, werden fünfunddreißig nie geboren, wandern zehn aus und schaffen fünfzehn keine Berufsausbildung. Da können die Emigrationsphantasien der verbleibenden vierzig nicht überraschen. Die Welt kennt fünf Ränge der Sozialpolitik. Unten stehen rund 160 Nationen ohne Hilfe für soziale Notlagen. Konkurrenten wie China und Indien gehören dazu. Darüber rangieren die Vereinigten Staaten. Sie geben ihren Bürgern ein Fünfjahreskonto, mit dem diese sparsam umgehen, um bei Notlagen Halt zu finden. Vorher weichen sie auf Ersparnisse, Verwandte oder schlecht bezahlte Arbeit aus. Auf dem dritten Platz liegt ein rundes Dutzend Nationen, in denen zwar lebenslänglich Sozialhilfe gewährt wird, diese aber knapp ausfällt wie in Italien und England. Auf dem zweithöchsten Rang findet sich ein weiteres Dutzend Nationen. Auch sie zahlen lebenslänglich und dazu relativ großzügig aus, wobei Norwegen, Finnland und die Schweiz an der Spitze liegen. Den ersten Rang belegt Deutschland allein. Es zahlt ebenfalls lebenslänglich und liegt in der Höhe nur knapp hinter der Schweiz. Überdies aber gibt es den Frauen auf Sozialhilfe in Form von Elterngeld Sonderprämien, wenn sie ihre risikoreiche und pädagogisch ungünstige Existenz auf weitere Neugeborene ausdehnen. Aus diesem Grund haben Frauen in Deutschland eine viermal höhere Wahrscheinlichkeit für prekäre Mutterschaften als in den übrigen hochentwickelten Nationen. Doch selbst wenn man sich für den Weg Amerikas entschiede, das bis 1996 den jetzt von Deutschland gehaltenen globalen Spitzenplatz bei Sozialhilfemüttern innehatte, kann auf schnelle Entlastung nicht gerechnet werden. Amerika diskutierte bis zum Handeln volle zwanzig Jahre. Wenn hier ebenso viel Zeit benötigt wird, ist das Land aus der Gruppe der Spitzennationen längst ausgeschieden. Schon 2010 wird nur noch der 23. Platz verteidigt – nach der Nummer drei im Jahre 1980. Dafür stieg die Zahl der Kinder unter 15 Jahren, die Sozialhilfe beziehen, von 130 000 im Jahre 1965 auf zwei Millionen im Mai 2010. Erst wenn das Niveau von 1965 wieder in Blickweite ist, kann eine gezielte Einwanderungspolitik beginnen und die Abwanderung verlangsamt werden. Die 160 000 Auswanderer, die Deutschland jährlich verlassen, nehmen 80 000 Hartz-IV-Müttern mit jeweils zwei Kindern den Versorger. Denn eine solche Mutter kostet bis zum fünfzigsten Lebensjahr 415 000 Euro, also die Steuern von zwei Vollerwerbstätigen. Zusätzlich hinterlassen diese 160 000 Nettosteuerzahler etwa 40 Milliarden Euro offizielle Staatsschulden. Nur private Schulden emigrieren mit, während die Verpflichtungen als Passinhaber an die Zurückbleibenden sowie an Einwanderer übergehen. Wer jährlich 160 000 qualifizierte Einwanderer gewinnen will, darf sie nicht mit 80 000 Hartz-IV-Familien und 40 Milliarden Euro Schulden verschrecken. Jede andere hochentwickelte Nation ohne solche Lasten wird sonst vorgezogen. Solange also potentielle Einwanderungstalente sehen, dass mehr als die Hälfte ihres Einkommens weggesteuert und -sozialversichert wird, werden sie nicht in Dortmund siedeln, sondern nach Melbourne, Seattle oder Toronto streben, wo man sie ebenfalls dringend benötigt, ihnen aber nur 20 bis 25 Prozent abnimmt. Von den 100 bis 150 Milliarden Euro, die Deutschland heute für den gesamten Bereich der Vermehrungsförderung und Früherziehung ausgibt, muss für das Erreichen der Konkurrenzfähigkeit beim Anwerben ein großer Anteil als Steuerermäßigung an die aktive Generation zurückgeleitet werden. Sie gewinnt dann finanziellen Spielraum und kann selbst entscheiden, wie sie ihn auch für eigenen Nachwuchs und seine Erziehung einsetzt. Die angloamerikanischen Länder machen es so. Die Politik aller OECD-Staaten ist auf absehbare Zeit geprägt durch das Abwerben von Talenten aus Nationen, die ebenfalls zu wenige davon haben. Erfolgreiche Einwanderungspolitik bedeutet mithin die aktive Gestaltung dieser Konkurrenz. Sie ist scharf antirassistisch, achtet aber streng auf Qualifikationen. Alle Hautfarben, alle Religionen und Sprachen sind willkommen. Schlechte Schulnoten hingegen werden nicht belohnt oder nur bei politischem Asyl geduldet. Zuwanderer werden also nicht anders gesehen als der eigene Nachwuchs. Nur solche Einwanderer sind eine Hilfe, deren Leistungsprofil über dem aktuellen Durchschnitt der aufnehmenden Nation liegt. Die aufnehmenden Länder wissen längst, dass solche Neuankömmlinge sich zu helfen wissen und ihren neuen Mitbürgern nicht auf der Tasche liegen oder von hochbezahlten Integrationsarbeitern begleitet werden müssen. Australien verlangt, dass „Einwanderer bestens ausgebildet sind“ und „sehr schnell einen Beitrag zur australischen Wirtschaft leisten können“. Kanada setzt diese Forderung am strengsten um und hat deshalb bei den Kindern seiner Zuwanderer einen höheren IQ als beim einheimischen Nachwuchs. Nirgendwo hingegen liegen Migrantenkinder tiefer unter dem einheimischen Leistungsniveau als in Deutschland. Das liegt nicht an ihrer Fremdheit und Anderssprachigkeit, sondern an den schlechten Noten ihrer Eltern bereits in der Heimat. Es geht also gar nicht um „Ausländerprobleme“. Die wirklichen Probleme sind selbst mit Integrationsmilliarden nicht schnell heilbar. Exzellenzstudenten leben nun einmal nicht mit Schulabbrechern gleicher Sprache, Religion und Hautfarbe zusammen. Das unterbleibt in Istanbul genauso wie in Berlin. Da Amerika unter seinen Einwanderern nur 55 Prozent Hochqualifizierte zählt – gegenüber 85 Prozent in Australien und 99 Prozent in Kanada (fünf bis zehn Prozent in Deutschland) –, zeigt es sich bei den Abwerbungsideen besonders einfallsreich. Jeder Ausländer, der ein Studium abschließt, soll automatisch eine Green Card erhalten. Radikalere Denker erwägen sogar, jedem Ausländer, der an amerikanischen Universitäten eine Aufnahmeprüfung für Natur- und Ingenieurwissenschaften übersteht, gleich einen amerikanischen Pass zu überreichen. China mit fast 550 000 Auswanderern jährlich dient als Rekrutierungsquelle für vergreisende Nationen wie Taiwan, Hongkong, Singapur und Kanada, die mit 1,1 bis 1,6 Kindern pro Frau demographisch teilweise noch schlechter dastehen als die Bundesrepublik. Mit ihrer globalen Spitzenstellung etwa bei Mathematiknoten begreifen die jungen Chinesen das demographische Fiasko ihrer Heimat sehr schnell und suchen deshalb immer dringlicher nach einer neuen. Wer sie dauerhaft anwirbt, gewinnt ein paar Jahrzehnte bei der Rekrutierung qualifizierten Personals. In den Vereinigten Staaten stellen Ostasiaten bei fünf Prozent Bevölkerungsanteil rund dreißig Prozent der Computerspezialisten, während sie so gut wie nie Sozialhilfe beantragen. Deutschland ist da weit im Hintertreffen. Immerhin aber stellen rund 20 000 Chinesen das größte Kontingent unter seinen ausländischen Studenten. Man wird sie aber nur dann zum Hierbleiben verführen, wenn sie nicht für die Finanzierung des Sozialstaats in Haftung genommen werden. Passabel in Mathematik schneiden schließlich auch Inder ab. Sie haben 2010 immerhin noch 2,7 Kinder pro Frau – gegenüber nur 1,6 in China. Indien muss Talente abgeben, weil daheim nicht alle unterkommen. Doch als englisch Erzogene sind für sie andere Länder erste Wahl. Dafür ist hierzulande mittlerweile verstanden worden, dass die alte nordrhein-westfälische CDU-Parole „Kinder statt Inder“ Asiaten zwar verängstigt, aber mehr Nachwuchs bei hiesigen Karrierefrauen auch nicht bringt. Jetzt muss das Angebot erhöht werden. Unterhalb eines Studienplatzes und eines deutschen Passes spätestens zum natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Examen braucht man gar nicht anzutreten. Gunnar Heinsohn lehrte bis 2009 Sozialwissenschaften an der Universität Bremen. Zuletzt erschien von ihm „Eigentumsökonomik" (Metropolis Verlag, Marburg, 2006). |