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Unser Land - kontrovers
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Inzidenz führt in die Irre
Eine Klarstellung
16.4.2021
Heute erschien im Münchner Merkur - leider verkürzt -
ein Leserbrief, den ich hier in voller Länge zeige. Er war die
Replik auf diesen Leserbrief vom Vortag:
Lockdown bis Juni droht; Titelseite vom 13. April
Ich bin wirklich sehr froh, dass unser Land von hochintelligenten
Politikern regiert wird. Denn als alleiniger Maßstab für
Lockdown-Verfügungen wird nur der Inzidenzwert angenommen. Hierzu
ein paar Beispiele. Kalenderwoche 14/2020 417.646 Tests pro Woche,
37.649 positive er gibt eine Positivenquote von 9,01 % und eine
7-Tage-Inzidenz von 45. Kalender woche 37/2020 1'148.465 Tests pro
Woche, 10.403 positiveer gibt eine Positiven quote von 0,90 % und eine
7-Tage-Inzidenz von 12,5. Kalenderwoche 12/2021 1'411.517 Tests pro
Woche, 131.650 positive ergibt eine Positivenquote von 9,32 % und eine
Inzidenz von 158. Weitere mögliche Szenarien: 5'000.000 Tests pro
Woche bei einer Positivenquote von 9 % ergeben 450.000 positive und
eine Inzidenz von 542! Fünf Millionen Tests bei einer Positiven
-quote von 0,90 % ergeben 45.000 positive und eine Inzidenz von 54!
Keine Tests, keine positiven, Inzidenz gleich null! Pandemie vorbei!
Bitte alle mal darüber nachdenken!
Martin Schechinger-Westner
Landwirt, Gerblinghausen
Ich brauche über
die Empfehlung von Herrn Schechinger-Westner (Leserbrief des Vortags) nicht nachdenken. Das habe ich
schon früher, und auch das Ergebnis - leider vergeblich - an die Redaktion
geschickt. Er stellt das Problem mit seinen Zahlenbeispielen richtig dar, nur
seine Schlussfolgerung ist falsch. Statistisch gesehen ist das Testen eine
Stichprobe. Eine Stichprobe ist umso genauer, je größer sie ist. Das spricht für
mehr Testen. Man muss das Ergebnis der Stichprobe nur richtig interpretieren.
Wie das Beispiel richtig zeigt, steigt die Inzidenz bei einer in etwa
gleichbleibenden Quote von Positiven von 9% von 45 in 14/2020 auf 158 in
12/2021. Der prozenuale Anteil der Infizierten ist also gleich geblieben,
deswegen ist die Inzidenz als Maßstab ungeeignet. Die Quote von 9% bei dieser
Stichprobe besagt, dass vermutlich rd. 7'5 Millionen der Bundesbürger infiziert
sind. Wenn man also das Beispiel von Herrn Schechinger-Westner weiterspielt und
man nicht nur 5 Millionen, sondern alle 83 Millionen an einem Tag testen würde,
hätte man eine Inzidenz von rd. 9000*. Dass man jetzt alle Kunden in Geschäften
testen will, wird die Inzidenz nur weiter erhöhen, man erreicht also genau das
Gegenteil.
Die Lösung wäre doch
ganz einfach: Man muss nur alle Maßnahmen an der Quote, nicht an der Inzidenz
ausrichten. Die ist an einem Tage immer in etwa gleich, unabhängig davon,
wieviele Tests man macht. Ergänzen sollte man sie natürlich um
Hospitalisierungen und Todesfälle. Keine Tests sind natürlich keine Lösung, je
kleiner die Stichprobe, desto unzuverlässiger das Ergebnis.