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Englisch reicht
nicht
Die Mitarbeiter bei Airbus sollten besser Deutsch und Französisch
reden
SZ vom 24. Juni 2008
.
Bei Airbus kracht es gewaltig zwischen Deutschen und Franzosen. Firmenchef
Thomas Enders schlägt deshalb vor, Englisch zur Firmensprache bei dem
Flugzeugbauer zu machen. Das verwundert erst einmal. Denn Englisch ist längst
die Firmensprache bei Airbus und bei der Muttergesellschaft EADS. Bei genauerem
Hinsehen erkennt man, dass dies nur für das Personal in den Büros
und für Führungskräfte gilt, nicht aber für die Werksarbeiter.
Auch sie sollen nun nach dem Willen Enders' mehr und mehr in Englisch kommunizieren.
Schließlich gärt es in den Werkshallen zwischen Deutschen und Franzosen
am stärksten.
Der Vorschlag klingt plausibel, und doch ist er der grundlegend falsche
Ansatz. Auf gut Französisch könnte man sagen: Er ist eine "fausse
bonne idee", eine falsche gute Idee, ein Ausdruck, den man weder griffig
ins Deutsche noch ins Englische übersetzen kann, und das allein zeigt
schon, wie unerlässlich es ist, die Sprache des anderen wenigstens erlernen
zu wollen, wenn man sein Gegenüber denn nicht nur rein akustisch verstehen
will.
Das Gute an der schlechten Idee ist, dass Airbus damit einen kafkaesken
Zustand in den Werken beilegen könnte. In Toulouse montieren Deutsche
und Franzosen Seit' an Seit' dasselbe Flugzeug, doch reden tun sie nicht
viel miteinander. Auch die Handbücher, denen sie folgen, sind auf Französisch
beziehungsweise Deutsch: Das ist eine Hinterlassen-schaft aus der Zeit, als
Airbus noch ein loser Zusammenschluss verschiedener Unternehmen war.
Sämtliche Fluggesellschaften in der Welt, ob Lufthansa oder Air France-KLM,
warten ihre Flieger aber längst mit Hille von englischen Anleitungen.
Daran sollte sich Airbus ein Beispiel nehmen, und das meint Enders im Wesentlichen.
Dass es in derselben Werkshalle ein Handbuch gibt, gebietet allein schon das
Streben nach Effizienz. Wenn es eine Übereinkunft darüber gibt,
wie man das Ding nennt, das auf Deutsch "Niete" heißt, können Missverständnisse
vermieden werden. In dem Moment ist Sprache schlicht ein Vehikel, um Arbeitsprozesse
zu beschleunigen. In welcher Sprache das geschieht, ist fast sekundär.
Einstweilen aber ist Englisch, dank der Dominanz der Angelsachsen in der
Geschäftswelt, die Sprache der Wirtschaft. Dieser Umstand hat Airbus
und EADS jedoch zu einem fatalen Trugschluss verleitet, und der lautet: "Firmensprache
ist Englisch." Genau hierin liegt das grundsätzlich Falsche von Enders'
Idee begründet. Wenn Deutsche" und Franzosen auf Englisch miteinander
reden, kornmen sie über Oberflächlichkeiten und Stereotypen nicht
hinaus. Sie müssen die Sprache des Anderen sprechen. Denn sie ist der
Schlüssel zum Verständnis der jeweils anderen Kultur, der Unternehmenskultur
mithin.
Ein CEO ist mit dem President Di-recteur General (PDG) nicht zu verwechseln,
und der hat nichts mit dem Vorstandsvorsitzenden zu tun. Gerade weil Frankreich
und Deutschland im Geschäftsleben, in der Führungskultur, der Berufsausbildung,
dem Autoritätsverständnis und den Kommunikationsmustern so unterschiedlich
sind, geht am Erlernen der Sprache kein Weg vorbei. Sie transportiert all
diese Unterschiede, und zwar auf subtile Weise. Ganz davon abgesehen, dass
sich Türen und manchmal auch Herzen öffnen, wenn man es in der Sprache
des Anderen versucht.
Den Umkehrschluss ziehen zu wollen, dass sich mit dem Beherrschender Sprache
des Anderen alle Probleme in Luft auflösen, ist natürlich falsch.
Man hätte dann aber immerhin eine solide Argumentationsbasis, die der
Einheitsbrei Englisch nicht hergibt.
Vor 20 Jahren schickten Unternehmen ihre Mitarbeiter noch zum Französisch-
oder Deutschunterricht. Heute wird das als überflüssiger Schnickschnack
abgetan. Englisch trat seinen weltweiten Siegeszug an. Airbus erlag diesem
Modetrend. Das wirkt sich bis heute nachteilig auf das Klima im Unternehmen
aus. Airbus leidet unter dieser Fehlentscheidung seit Jahren, aber kapiert
haben das die Manager noch nicht.
Michael Kläsgen